Fearless Wild

Wer kennt dieses Gefühl nicht, wenn nach einem ausgiebigen Sommerurlaub die Füße erstmalig wieder in richtige Schuhe schlüpfen sollen und sich innerlich alles sträubt? Anna Yona und ihr Mann haben dieses Phänomen bei ihren Kindern gesehen, nachdem sie von Israel nach Deutschland übersiedelten und die Füße ihrer drei Kinder in festes Schuhwerk sollten. Also beschlossen sie, nach einer Lösung zu suchen: Nach Schuhen, die sich möglichst wenig nach Schuhen anfühlten. Aus der Schuh-Idee für ihre Kinder ist mittlerweile das mittelständische Unternehmen Wildling Shoes mit fast 200 Mitarbeitern geworden. Das alles andere als „normale“ Unternehmen ist mehrfach ausgezeichnet. Anna wollte von Anfang an von Zuhause arbeiten, um Arbeiten und Leben sowie Familie bestmöglich und mit der größtmöglichen Freiheit zu ermöglichen. Tägliches Pendeln wollte sie schlicht vermeiden und auch für ihre Mitarbeitenden nach Möglichkeit ausschließen. Wer will, kann wann sie/er es will in einem Co-Workings-Space arbeiten. 

Anna Yona ist für Wildling Shoes besonders das nachhaltige Wirtschaften ein besonderes Anliegen. Deshalb steht die Nachhaltigkeit sogar mehr im Fokus als der materielle Gewinn – wobei das Unternehmen natürlich profitabel sein muss, da es bis heute ohne Investoren auskommt. Es geht um gute Schuhe, gesunde Füße, um einen möglichst positiven Impact und ganz viel Selbstverantwortung. Denn so kann Wildling fair und nachhaltig selbst eine Zukunft gestalten, in der es jeder:m Spaß macht sich einzubringen. 

Kann es eine:n bessere:n Interviewpartner:in für die hundertste Episode geben? Annas positiver Optimismus und Tatendrang stecken an. Ganz im Che Guevarraschen Sinne verfolgt sie mit einem klaren und realistischen Blick das Unmögliche und kommt bewundernswert jeden Tag ein Stückchen weiter.   

Anna Yona

Anna Yona

Wildling Shoes

Gründerin des Barfußschuh-Unternehmens Wildling Shoes

Wenn ich 40 Stunden brauche, um eine Arbeit zu erledigen,  habe ich sowieso irgendwo ein Problem

 

Sobald wir Arbeit neu denken und eher die Ziele in den Fokus rücken, dann brauchen wir konsequenterweise auch neue Parameter für das Bemessen von Arbeit und Leistung. „Wenn ich weiß, was ich machen möchte, was ich erreichen möchte, woran ich arbeiten kann und mit wem ich mich dafür abstimmen muss, bedeutet es, dass ich da schon eine gewisse Struktur habe, die mir hilft, mich zu sortieren, mich zu strukturieren und die Arbeit zu priorisieren“, erläutert Anna Yona, Mitbegründerin von Wildling Shoes. „Und innerhalb dieser Struktur versuchen wir, größtmögliche Freiheit zu lassen. Wir möchten gar nicht, dass eine Person sich in irgendeiner Form abmeldet oder sowas. Wir wollen gar nicht wissen, wo die Leute sind, was sie gerade machen, sondern dass jede:r es wirklich mit Eigenverantwortung betrachtet. Ich weiß ja was ich erreichen möchte.“ 

 

„Ich glaube, es ist sehr wichtig Zeiten zu schaffen, in denen der virtuelle Lärm gedämpft wird. Wir haben quasi Kommunikationsinseln geschaffen: Zeiten, zu denen viel kommuniziert wird, in denen ich Meetings vereinbaren kann et cetera. Andererseits haben wir möglichst kommunikationsfreie Zeiten, sodass man fokussiert an einem Thema arbeiten kann. Ich schalte alles andere ab, bin nicht erreichbar und das ist auch vollkommen in Ordnung.“

 

„Wir haben jeden Tag eine solche Insel, die sich immer ein bisschen verschiebt, damit wir auch Leute mit Teilzeit gut abgedeckt bekommen. Das Ziel ist, diese Zeiten zu schaffen, in denen man guten Gewissens sagen kann: Ich bin nicht erreichbar. Wir gehen davon aus, dass man auch nur über eine bestimmte Zeit –  mit Übung circa vier Stunden –  wirklich produktiv arbeiten kann. Unser Ziel ist mittelfristig dahin zu kommen, dass wir uns komplett von Arbeitszeiten befreien können. Also, dass wir sagen können: ‚Du bringst dich voll ein, wir stecken zusammen Ziele fest und du bekommst dafür ein volles Gehalt. Aber das Ziel ist, du bist nach maximal 30, 32 Stunden fertig, weil sehr viel mehr konzentrierte Arbeit und Kommunikation braucht es im Prinzip nicht.‘ Das heißt, wenn ich 40 Stunden brauche, um eine Arbeit zu erledigen, habe ich sowieso irgendwo ein Problem. Da muss ich sowieso gucken, was da gerade nicht gut läuft.“

 

Was mache ich wirklich gerne? Was kann ich lange tun? Wovon kriege ich Energie zurück?

 

Besonders in der Selbstverantwortung und in einer Struktur, die auf Rollen und Verantwortungen gebaut ist, kommt es ebenso darauf an zu schauen, wo welche:r Mitarbeitende den größten Mehrwert liefern kann, wie auf die selbstkritische Betrachtung der eigenen Kompetenzen und Inkompetenzen. Hier bedarf es nicht nur strategischer Planung, sondern auch der Frage, wie jede:r das eigene Ego in den Griff bekommt. „Und vor allen Dingen – vielleicht noch mehr als das Thema Ego – kommt es auf die Wertschätzung an. Woran mache ich fest, dass ich etwas gut getan habe?“ erklärt die Mitbegründerin von Wildling Shoes. „Wir sind von Anfang an, bereits in unserem Schulsystem, auf Bewertung gedrillt. Unser eigenes Gefühl von Wertschätzung ist immer davon beeinflusst, was ich für eine Note bekommen habe. Und vielleicht ist das der Knackpunkt und eine der Kompetenzen, die gestärkt werden müssen, zu wissen: Woraus ziehe ich Wertschätzung?“

 

„In einer hierarchischen Struktur ist es viel einfacher. Da sagt mir meine Vorgesetzte, dass ich etwas gut gemacht habe. Oder ich erreiche eine bestimmte Hierarchiestufe. Sich davon zu lösen und wirklich darauf zu gucken, was mache ich wirklich gerne? Was sind meine Stärken? Nicht im Sinne von ‚Was mache ich super gut‘, denn auch das ist etwas, was durch die Belohnung im System gut geworden sein kann. Sondern ‚Was mache ich gerne? Was kann ich lange machen? Wovon kriege ich Energie zurück?‘ Das bedeutet, dass ich mich anhand meiner Stärken entwickele und nicht anhand von irgendeiner Karriereleiter, die immer nur in eine Richtung irgendwie gut funktioniert. Das bedeutet, dass ich mich horizontal im Unternehmen auf die Stelle hin bewege, die meinen Stärken und meinen Vorlieben, meinen Interessen, meiner Leidenschaft am meisten entspricht. So dass ich mich am wenigsten verstellen muss, wenn ich jetzt in diesem Job arbeite. So dass ich am meisten von mir selbst einbringen kann und dann die Wertschätzung oder vor allen Dingen die Bestätigung daraus schöpfen kann. Wenn man es schafft, dahin zu kommen, dann hat man, glaube ich, eine gute Arbeitskultur geschaffen.“

Fearless Wild

Anna Yona, Co-Gründerin von Wildling Shoes, spricht mit mir im FearlessCulture Podcast über Gründen, Sinn und Nachhaltigkeit, Selbstorganisation, Verantwortung, Kulturwandel und remote Arbeiten. 

.

Links

 

Anna Yona

Anna bei LinkedIn 

Wildling Shoes bei LinkedIn

Wildling Shoes bei Instagram  

Die Website von Wildling Shoes 

 

Medien

Starting a Revolution – Was wir von Unternehmerinnen über die Zukunft der Arbeitswelt lernen können (2020) von Naomi Ryland und Lisa Jaspers Das Buch bei Amazon 

Unsere Welt neu denken – Eine Einladung (2020) von Prof. Dr. Maja Göpel Das Buch bei Amazon 

Tipping Point – Wie kleine Dinge Großes bewirken können (2016) von Malcolm Gladwell Das Buch bei Amazon oder das englisch Original The Tipping Point – How Little Things Can Make a Big Difference (2001) Das Buch bei Amazon

Schnelles Denken, langsames Denken (2016) von Daniel Kahneman  Das Buch bei Amazon  oder das englisch Original Thinking, Fast and Slow – Daniel Kahneman (2021) Das Buch bei Amazon

 

Hotel Matze einem der immer noch besten Interviewpodcasts in Deutschland 

Der Podcast Outrage & Optimism erforscht die Geschichten hinter den Schlagzeilen zum Klimawandel und spricht mit denjenigen, die die Herausforderungen in Chancen verwandeln. Lohnt sich 😉

Der Podcast Renegades: Born In The USA  sind Gespräche zwischen Ex-US Präsident Barack Obama und Bruce Springsteen über ihr Leben, ihre Musik und – wie sollte es auch anders sein 😉  – ihre Liebe zu Amerika – trotz all seiner Herausforderungen.

Everyday Leadership – der Life- und Leadership-Talk der DFB-​Akademie

Diese Seite verwendet Cookies.

Mehr Infos

You have Successfully Subscribed!